Bericht zur Tagung vom 2. Juli 2022

Bibel und Bekenntnisse – Die Grundlagen

Die Tagung am 2. Juli 2022 begann mit einem Abendmahlsgottesdienst. Aus dem Gottesdienst, dem Hören auf Gottes Wort und dem Empfang des Abendmahls wächst Stärkung und Klarheit. Den Gottesdienst leiteten Pfarrer Lukas Zünd und Pfarrerin Sabine Aschmann. 50 Personen haben sich an diesem Tag im Kirchgemeindehaus Winterthur Seen zur 2. Tagung des Netzwerks Bibel und Bekenntnis Schweiz versammelt. 

In ihrem Referat ging die Theologin und Pfarrerin Hanna Stettler auf die Frage ein: «Handelt Gott in der Geschichte?». Das beantworten die meisten Christen mit «Ja», denn sonst würden sie ja nicht beten. Auch das Beten des Unser Vater setzt diese Überzeugung voraus, obwohl es seit 250 Jahren von der Theologie problematisiert wird. Im Versuch, den christlichen Glauben angesichts wissenschaftlicher Entwicklungen zu «retten», begann man besonders im 20. Jahrhundert, die Wunder als Legenden zu verstehen, mit denen die Gemeinde Jesus als Gottes Sohn verkündigte. Auch die überlieferte Verkündigung Jesu soll zum grössten Teil auf die nachösterliche Gemeindebildung zurückgehen. Man könne aber nicht mehr wissen, was Jesus wirklich gesagt habe. Dieser Geschichtspessimismus führte dazu, dass viele Theologen alles Gewicht auf die Predigt, das sog. «Kerygma» legten: In der Verkündigung könne der Mensch vom «Wort» erreicht werden und zu seiner eigentlichen Existenz finden. Dazu sei die historische Verlässlichkeit der Inhalte aber keine notwendige Voraussetzung.

Diesen Überzeugungen stellte Hanna Stettler «Die Rückkehr der Augenzeugen» entgegen. Insbesondere die neueren Forschungen von Richard Bauckham, Martin Hengel und anderen zeigen plausibel, dass die altkirchlichen Überlieferungen wahr sind, und dass wir es bei den Evangelisten mit Augenzeugen zu tun haben, die bezeugen, was sie gehört und gesehen haben.

Im zweiten Referat widmete sich der Kirchengeschichtler Sven Grosse dem Thema: «Die zertrümmerte Bibel – wie es dazu kam.» Er stellte mit Johann Philipp Gabler einen Vertreter der Theologie der Aufklärung vor. In seiner Antrittsrede (1787) als Professor beschrieb Gabler die biblische Theologie als eine von der Dogmatik (Glaubenslehre) unabhängige Wissenschaftsdisziplin. Die Biblische Theologie ist für ihn eine historisch orientierte Wissenschaft, die die allgemeinen Vorstellungen der Bibel von ihren zeitbedingten Einkleidungen abhebt: Es gehe der Theologie darum, die Gedanken der Schriftsteller nachzuzeichnen, die in erster Linie an die Menschen ihrer Zeit gerichtet waren. Die Dogmatik (Glaubenslehre) dagegen müsse die Vorstellungen jener Zeit in die aktuellen Vorstellungen der modernen Zeit übersetzen. Dabei schied für Gabler das Alte Testament als mindere Schrift vom Neuen Testament. Insgesamt versuchte er – wie andere Zeitgenossen – zwischen der äusseren Gestalt der biblischen Überlieferung und ihrem Kern zu unterscheiden. Auch hier wird das Bibelwort auf religiöse Vorstellungen und Ideen der Propheten und Evangelisten reduziert, die für heutige Zeiten neu interpretiert werden müssen. Damit versprach er sich auch die Lösung der Differenzen zwischen unterschiedlichen christlichen Konfessionen in der Glaubenslehre.

Sven Grosse stellt Gablers Ansatz einen konstruktiven Gegenentwurf entgegen: Er plädiert dafür das Selbstzeugnis der Schrift ernst zu nehmen, was die Bibel zusammenhält. Nach Jesu eigenen Worten (z. B. Joh 5,39.46) ist er der Inhalt der Schrift. Darum sagte Martin Luther: «Nimm Christus aus den Schriften, was willst du sonst weiter in ihnen finden.» Wenn die christlichen Konfessionen darin übereinstimmen, dass die Bibel durchgehend von Christus, bzw. dem dreieinigen Gott spricht, dann hat man bereits einen grossen Konsensus. Dieser Konsensus zeigt, dass man sich doch bereits in den Grundlagen einig ist. Die bleibenden Differenzen in der Glaubenslehre könne man dann im geduldigen Gespräch diskutieren, im Wissen, dass man einen grossen gemeinsamen Boden hat.

Im dritten Referat geht Pfarrer Willi Honegger auf das Apostolische Glaubensbekenntnis ein, das für die Kirche und ihren Glauben unverzichtbar ist: Es ist Kern und Schlüssel für die Botschaft der ganzen Bibel, eine regula fidei (Glaubensregel) für die Auslegung der Bibel. Es lehrt uns den roten Faden der Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zu Vollendung. Es ist wie andere altkirchliche Glaubensbekenntnisse aus grossen theologischen Kämpfen entstanden. Es diente zur Abwehr gegen verschiedene Irrlehren. Darum ist das Apostolische Glaubensbekenntnis zusammen mit anderen Bekenntnissen auch bis heute aktuell, weil auch heutige Irrlehren den alten gleichen. In diesem Sinn ist das Apostolikum auch prophetisch: Bis heute eine eiserne Ration im geistlichen Kampf.

Alle drei Referate können im Internet nachgehört werden auf www.bibelundbekenntnis.ch oder dem dazugehörigen Youtube-Kanal www.youtube.com/NetzwerkBibelundBekenntnisSchweiz

Jürg Buchegger, im Juli 2022