Freimut in der Verkündigung

Warum verschweigen wir, was zu predigen ist?


Theologe und Evangelist Ulrich Parzany, Leiter des deutschen Netzwerks Bibel und Bekenntnis, sprach an der Tagung vom 30. September in Aarau. Die Frage: «Was hindert uns zu reden?» beantwortete er dreifach:

1. Wir möchten Menschen gewinnen und nicht vor den Kopf stossen, nicht abstossen. Evangelisten bauten mit viel Aufwand Beziehungen auf, um die Bereitschaft zuzuhören, zu erlangen, sagte Parzany. Dies wirkt sich aus als «Schere im Kopf: Man weiss, was auf keinen Fall gut ankommt. Hölle, Endgericht, Jungfrauengeburt …» Und wer wolle ganz vorn beginnen und die Erschaffung des Menschen als Gottes Ebenbild, als Mann und als Frau als Teil der Gottesoffenbarung hinstellen?

2. Wir akzeptieren die Rahmenbedingungen, in denen wir leben. Der Landeskirchen-Pfarrer habe den Vorteil, nie als Sektierer angesehen zu werden – und wolle diesen nicht verspielen.

3. «Wir alle müssen entscheiden, ob wir Teil der Zivilreligion sein wollen oder in der Christusnachfolge sein wollen.» In der polarisierten Gesellschaft würden versöhnliche Botschaften erwartet. Die Forderung an Theologen, zum Kitt der Gesellschaft beizutragen, könne sich als Schere im Kopf auswirken, denn «dann muss man alles ausscheiden, was spaltet».

Nach dieser Schilderung dessen, was bremst, betonte Ulrich Parzany jedoch aufgrund der Berichte im Neuen Testament: «Die Verkündigung des Evangeliums von Jesus spaltet in jedem Fall die Hörerschaft. Von Anfang an.»

Der Theologe erwähnte die Urgemeinde in Jerusalem, auch den Tumult im heidnischen Lystra, der zur Steinigung von Paulus führte. Der Apostel habe darunter gelitten, dass seine Verkündigung die Hörerschaft immer spaltete. Mit Matthäus 10,34 fragte Parzany: «Ist Jesus der Friedefürst – oder ist er der Streithammel?» Das Evangelium fahre ein, es treffe «die engsten, lebenstragenden Beziehungen».

Der Referent schloss mit der tröstlichen Erfahrung schon der ersten Christen, dass die Bitte um Freimut erhört wird. Auf das Gebet der Jerusalemer Christen (Apg 4,23ff) antwortete Gott mit einem Erdbeben. Und gab ihnen so Freimut (parrhäsia).

Scharf wandte sich Ulrich Parzany dagegen, dass Christen in Westeuropa sich als unfrei oder gar verfolgt ansehen: Er führte die Bedrängnis anderer Christen an. Das Schweigen hiesiger Theologen bezeichnete der international bekannte Evangelist als Feigheit. Denn: «Das Gebet um Freimut wird erhört.» Zu sagen sei das Evangelium allerdings immer mit Liebe, schloss Parzany. «Ohne Liebe geht nichts… Aus der Liebe, die der Heilige Geist gibt, ringen wir um die angemessene Form: die Wahrheit zu sagen.»

Auszug aus dem Rückblick zur Tagung von Peter Schmid